Ganz große Oper: Verdis „Macht des Schicksals“ am Darmstädter Staatstheater
Dass man die Entrümpelung der Opernbühne von zeitgeschmäcklerischem Bedeutungs- Müll, der besonders in der Provinz wie Pech an jeder Arie klebt, noch steigern kann, hat die Premiere von Giuseppe Verdis ,,Macht des Schicksals“ bewiesen. René Zisterer ist ein junger Regisseur, der von Vertiefung statt von Vereinfachung, von Vertrauen in künstlerische Prozesse, vom Abklopfen einer Vorlage spricht, ,,bis diese außer dem eigenen Ego noch etwas darüber hinaus hörbar werden lässt“. Von Fokussieren ist die Rede, und fokussierte Intensität war seine beglückende Leistung. Singende Körper in klingenden Räumen und nicht Charakter-Masken mit Hinweisschildern machen das Alleinstellungsmerkmal Oper aus, wenn es gelingt, die Zuschauer und Zuhörer in ihrer Wahrnehmung zu steigern. Frankfurter Rundschau
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Die biographische Spannung prägte Verdis kompositorische Gestaltung seines Stoffes: Das Fatum ist Faktum, doch „Die Macht des Schicksals“ entfaltet sich letztlich aufgrund menschlicher Fehlleistungen.
Bei seiner Neuinszenierung des Werks am Staatstheater Darmstadt entspricht René Zisterer dieser Ambivalenz durch einen reduktionistischen Ansatz und konzentriert sich auf die innere Verfasstheit der Protagonisten. (…) Dass solches Verhängnis nicht nur einem blinden Schicksal geschuldet sein kann, verdeutlicht Zisterer auf eine in Ihrer Unaufdringlichkeit schon wieder spektakuläre Weise: Handlung entbindet sich in Darmstadt aus der Unfähigkeit, vielleicht sogar Unmöglichkeit, die Perspektive des anderen wahrzunehmen und zu verstehen.
Das Premierenpublikum honorierte die grandiose Gesamtleistung mit enthusiastischem Applaus. Frankfurter Allgemeine Zeitung
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“After more than an hour of tormented aphorisms comes the singer’s doleful surrender: „I can’t actually tell a story – in fact, I am almost unable to speak.“ She collapses into wordless song and finally fades into her accompaniment.
The volatile clusters of music need no visual aid to make them dramatic. Still, this is fiercely visceral stuff, and a degree of physical response seems natural. Peter Sellars directed a version at the Barbican last year that portrayed an American housewife giving voice to her stream of consciousness. For the Hebrides, René Zisterer has created something starker, a chilling void around which the musicians wander with no hope of home comforts.” Guardian
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„Die Frau ist tot und der Mann beklagt sein Schicksal. Nie habe er im Leben Glück gehabt, sagt er. Dann geht das Licht aus und das Theater ist zu Ende. Es wird nicht viel geredet in René Zisterers Inszenierung von Horvaths „Glaube Liebe Hoffnung“. Und doch ist alles gesagt über Macht und Ohnmacht, über Machtverhältnisse, über die Kälte zwischen den Menschen, die sich nur für sich interessieren.(…) Zisterer ist keiner, der die Sprache biegt und die Figuren deformiert, sondern einer, der leise Fäden zwischen den Wörtern aufspannt – und keine Manierismen duldet.“ Georg Mair, ff
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„Nicht immer braucht es ein großes Spektakel, um wirklich wirkungsvolles Theater zu machen. Eine neue „Zauberflöte“ in Köln beweist die Tragfähigkeit kluger ausstattungstechnischer Lösungen(…) Der Ausstattungs-Aufwand ist auf ein Minimum reduziert, im Vordergrund steht die inszenatorische Feinarbeit. Zisterer führt logisch und stringent durch die Handlung: die Charaktere sind sorgsam erdacht, er rückt die Entwicklung der Figuren ins Zentrum. Gleichzeitig hält er den großen Bogen im Auge und sorgt für inneren Zusammenhalt. Der Zauber besteht in der Poesie des Moments, in feinen, ästhetischen Bildern, in klugen Zusammenhängen.“ Kronenzeitung
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„Die neue Produktion der Volksoper ist perfekt. Ein ideal aufeinander eingestimmtes Premieren-Ensemble mit deutlicher Text-Artikulation, optimaler musikalischer Sicherheit, schauspielerischer und stilistischer Prägnanz stellt nicht nur sich, sondern auch dem leading team das beste Zeugnis aus. Regisseur René Zisterer hat auf fast leerer Bühne das Spiel in sinnvoll disponierter Bewegung gehalten und jeden Moment mit der Spannung einer gut erzählten Geschichte versehen.“ Karl Löbl